Kontrast – Imperium: Tyrannis (Teil 1)
VÖ: 13.06.2025 | Rezension von Jonas
Mit Imperium: Tyrannis melden sich Kontrast nicht nur musikalisch, sondern konzeptionell auf der Bildfläche zurück – und das mit einer Vehemenz, die man einer Band nach über 30 Jahren im Geschäft so nicht mehr unbedingt zugetraut hätte. Doch statt sich in Nostalgie zu sonnen, liefert das Quartett eine Dystopie im Clubformat, irgendwo zwischen Orwell, Szeneironie und brachialem Tanzbefehl.
Doch worum geht es bei „Imperium“ eigentlich?
Das Doppelalbum erzählt eine zusammenhängende Geschichte: In einer nicht allzu fernen Zukunft herrscht ein mächtiger Diktator, der sein Manifest aus einem monumentalen Sendesaal übertragen lässt. Seine Propagandaministerin – charmant und gnadenlos zugleich – verbreitet seine Ideologie. Die Bevölkerung wird zu willenlosen Tanzmaschinen konditioniert. Doch es regt sich Widerstand: Der geheimnisvolle Cassettenmensch nutzt ein veraltetes Medium, um regimekritische Botschaften zu verbreiten. Die Situation eskaliert, als der Partner der Ministerin das Imperium verlässt und sie sich zu ihrer wahren Identität als Vampirlesbe bekennt – ein symbolischer Akt, der den Umsturz einläutet.
Imperium besteht aus zwei Teilen: Tyrannis (Juni 2025) und Proteus (Mai 2026). Neben den beiden LPs erscheint eine vollständige CD-Version mit allen Tracks und einem 16-seitigen Booklet.
Schon der Einstieg mit „Metamorphose“ skizziert die Transformation zur willenlosen Tanzmaschine. Jonas zählt diesen Song zu seinen persönlichen Favoriten: mystisch, packend, mit atmosphärischer Dichte, die sofort die Tür zum „Imperium“ aufreißt. Der Track entfaltet die düstere dystopische Welt und lässt keinen Zweifel: Hier beginnt ein finsteres Kapitel.
Nahtlos geht es über in den Hit „D3r Diktator“ – ein Paradebeispiel dafür, wie man Szenehymnen schreibt, ohne sich zu wiederholen. Der Track klingt wie ein alter EBM-Klassiker mit typischen Kontrast-Elementen: martialische Sprache, treibender Bass, subtile Ironie. „Ich bin die Stimme, die ihr nie hören wolltet“ – das ist nicht nur clever, sondern auch erschreckend aktuell. Und: Mit diesem Song gelang Kontrast tatsächlich der erste Platz in den DAC, flankiert vom Clubhit „Tanzmaschinen“. Ein Doppelmanöver, das klarstellt: Diese Band ist – frei nach ihrem letzten Albumtitel – unaufhaltsam.
„Dämmerung“ und „Manifest“ treiben das Konzept weiter. Letzterer Track erinnert in seiner Monotonie und Wortwahl beinahe an alte Welle:Erdball-Stücke, allerdings mit mehr dystopischer Schärfe. Die große Stärke des Albums liegt jedoch in der Abwechslung: „Tanzmaschinen“ ist nicht nur ein Clubhit, sondern ein perfekt kalkuliertes Ventil für die eingesperrte Tanzwut der Szene.
Die zweite Hälfte des Albums – beginnend mit „Maschinenstadt“ – wirkt fast cineastisch. Der Track erinnert mit seinen pulsierenden Rhythmen und repetitiven Strukturen bewusst an alte Technozeiten und greift einige klassische Stilelemente auf. „Sendesaal“ wiederum zitiert subtil die Klangästhetik von Kraftwerk – kühl, distanziert, aber durchdacht konstruiert.
Ein weiteres Highlight ist für Jonas der Song „Die Zukunft“: Antreibend, kraftvoll, mit einem Refrain, der nicht nur musikalisch, sondern auch textlich unter die Haut geht. „Wie nah ist die Zukunft, wann bricht sie herein, weißt du noch, wo warst du noch und wo wirst du gestern sein“ – ein faszinierendes Wortspiel, das sich sofort festsetzt und nachwirkt.
Den Abschluss bildet der „Monolith“, der seinem Namen alle Ehre macht: schwer, dunkel, kompromisslos.
Kontrast gelingt mit Tyrannis das Kunststück, Clubkompatibilität mit konzeptueller Tiefe zu verbinden – ohne dabei belehrend oder gekünstelt zu wirken. Dass dabei musikalisch auf Altbewährtes gesetzt wird, ist kein Makel, sondern ein bewusstes Stilmittel. Die Synths klingen vertraut, die Beats pumpen wie in besten Zeiten, aber das erzählerische Level hat sich weiterentwickelt.
„Kontrast sind die unkaputtbare Kakerlake der Szene“, hieß es jüngst augenzwinkernd – und es stimmt: Nach drei Jahrzehnten liefern sie immer noch messerscharfe Inhalte und tanzflächentaugliche Produktionen mit Haltung. Die Singleveröffentlichungen wurden sogar von einem geheimnisvollen Remix-Projekt („Elektrische Maidchen“) begleitet – die Band bleibt sich in jeder Hinsicht treu: schräg, schlau und schwarz.
Fazit:
Imperium: Tyrannis ist kein laues Comeback, sondern ein durchinszeniertes Szenestatement. Kontrast bespielen die Grauzone zwischen politischem Kommentar, Satire und Tanzflächenfutter mit einer Wucht, die man eher von jüngeren Acts erwarten würde. Wer glaubt, Kontrast seien altersmüd geworden, sollte sich vom Diktator eines Besseren belehren lassen.
Jonas empfiehlt: Metamorphose, D3r Diktator, Tanzmaschinen, Die Zukunft
Die Rezension
Imperium Tyrannis
Kontrast melden sich zurück – und wie! Mit Imperium: Tyrannis regieren sie erneut über unsere Szeneherzen. Zwischen EBM, Ironie und Dystopie setzen sie zum Tanzbefehl an.
PROS
- Konsequent durchgezogenes Konzept mit politischem Unterton und Szenehumor
- Starke Clubtracks wie D3r Diktator, Tanzmaschinen und Die Zukunft
- Hohe Produktionsqualität mit klarem Sound und cleveren Stilzitaten
CONS
- Wenig Überraschungen im Sounddesign für Kenner früherer Kontrast-Werke
- Nicht alle Tracks funktionieren losgelöst vom Konzept gleich stark
Fazit
- Songwriting & Komposition 0%
- Produktion & Sounddesign 0%
- Stimmung & Atmosphäre 0%
- Originalität & Wiedererkennungswert 0%
- Abwechslung & Dynamik 0%