Rotoskop – Passive Aggressive (2025)
Rezension von Alex
Es gibt Alben, die laufen durch. Und es gibt Alben, die knirschen, kratzen und dich zwingen, hinzuhören. Passive Aggressive, das neue Werk von Rotoskop (aka Klaus Gratzel), zählt ganz klar zur zweiten Kategorie. Und das ist gut so. Denn wer braucht bitte noch glattgebügelten Synthpop mit Netflix-Soundtrack-Charme, wenn man auch rotzige Gitarren, elektronische Störgeräusche und eine Stimme haben kann, die klingt, als wäre sie mit Kippen, Whiskey und Weltschmerz gereift?
Klaus, alias Rotoskop, klingt wie der sarkastische Erzähler eines postapokalyptischen Roadmovies, der dich im Beifahrersitz mit Geschichten über Gier, Macht, Verlust und Widerstand füttert. Seine Stimme? Markant, rau, ehrlich – und so dermaßen edgy, dass man sich daran schneiden könnte. Sie zieht sich wie ein dunkler Faden durch die 13 Tracks und gibt jedem davon eine unverkennbare Identität.
Musikalisch ist das hier ein Bastard aus Wave, Gothic, Electronica, Blues, Rock und kantigem Pop. Eine Mischung, die auf dem Papier nach Clash klingt, aber durch Rotoskops unverwechselbare Stimme und kluges Songwriting wie aus einem Guss wirkt. Die Produktion ist bewusst rough gehalten – roh, direkt, ungeschminkt. Wer’s perfekt will, ist hier falsch. Wer Sound mit Ecken, Kanten und Haltung sucht: willkommen zuhause.
„Passive/Aggressive“ ist das Resultat eines klaren Reifeprozesses. Es ist das tiefste, facettenreichste Werk von Rotoskop bisher. Kein Nebenbei-Album, sondern eines, das Aufmerksamkeit verlangt – und belohnt. Die Songs wirken beim ersten Hören kraftvoll und direkt, offenbaren aber mit jedem Durchlauf neue Details und Zwischentöne. Textlich bleibt Klaus fern von plakativen Refrains und Herzschmerz-Schablonen: Ihn interessieren die Risse, die Schatten, die verborgenen Konflikte zwischen Licht und Dunkel. Und genau dort liegt die Kraft dieses Albums.
Favorit #1: „Birthschoolworkdeath“
Der Titel allein ist schon ein Manifest. Der Track ist eine musikalische Kampfansage gegen das moderne Funktionieren-Müssen. Ein rebellisches Statement gegen das Hamsterrad aus Geburt, Schule, Arbeit und Tod. Hart, kompromisslos und mit einer Coolness versehen, die sich nicht anpassen will. Und genau deshalb wichtig.
Favorit #2: „Old White Men“
Etwas elektronischer, mit einem Hauch von Depeche Mode (aber mit deutlich mehr Biss). „It’s time to move on – your big time is gone“ singt Rotoskop – und da müssen sich ein paar Männer über 60 vielleicht kurz setzen. Hier wird nicht nur musikalisch aufgeräumt, sondern auch gesellschaftlich.
Favorit #3: „Never Surrender“
Der heimliche Hit am Ende des Albums. Eine fast schon träumerische Hymne über das Nicht-Aufgeben. Hier kommt die elektronische Melancholie zum Tragen, die Fans von Depeche Mode und Mesh lieben. Highlight: die subtil eingestreuten Indianer-Gesänge – ein cleveres Symbol für Widerstand, Würde und Durchhaltewillen.
Wer Passive Aggressive durchhört, merkt schnell: Das hier ist kein Album für nebenbei. Es will was sagen. Es hat Haltung. Und es hat diesen Sound, der wie ein rostiger Ford Mustang durch eine staubige Endzeitlandschaft donnert. Voller Wut, Trauer, Trotz und dieser gewissen Dosis Überlebenswillen.
Fazit:
Rotoskop liefert mit Passive Aggressive das perfekte Soundtrack-Album für Menschen, die sich nicht verbiegen lassen. Laut, kantig, echt. Wer elektronische Musik mit Gitarrenkante, poetischem Tiefgang und politischem Unterton sucht, ist hier genau richtig.
Alex empfiehlt: Birthschoolworkdeath, Old White Men, Never Surrender